Deine Erziehung – meine Erziehung. Was ist für Trennungskinder wichtig?

7. Juli 2014

Thema

Getrennte oder geschiedene Eltern, die sich das Sorge- und Umgangsrecht für ihr Kind teilen, stehen vor der Aufgabe, regelmäßig miteinander zu sprechen und wichtige Entscheidungen für ihr Kind gemeinsam zu treffen. Dass es dabei häufig zu Konflikten kommt, ganz besonders, wenn die Eltern sehr grundlegende Unterschiede in ihrem Erziehungsstil und ihren Wertvorstellungen aufweisen, soll hier das Thema sein.

These

Die These ist, dass das gegenseitige Anerkennen und Wertschätzen der elterlichen Unterschiede die kindliche Entwicklung fördert. Sie steht der gängigen Meinung vieler Eltern entgegen, die behaupten, Kinder wären mit den Unterschieden überfordert. Dies ist unter anderem einem defizitorientiertem Denken geschuldet, das außer Acht lässt, dass Kinder nicht nur einen einzigen Lebensmittelpunkt haben sondern sich in Kindertagesstätten, Schulen, Sport- und Musikvereinen bewegen, die ihre Lebenswelt maßgeblich mitbestimmen und beeinflussen. Auch Großeltern sind für ihre Enkel identitätsstiftend und nehmen Einfluss auf die kindliche Entwicklung und das Wertesystem.

Zwei unterschiedliche Elternhäuser sind vielmehr für die Eltern ein (emotionales und organisatorisches) Problem, nicht aber für die Kinder, die es gewöhnt sind, dass ihnen wechselnde Bezugspersonen, unterschiedliche Regeln und Rahmenbedingungen begegnen. Dies ist die Lebenswelt der heutigen Kinder und je normaler die Erwachsenen damit umgehen umso weniger belastet es den Nachwuchs.

Worin besteht das Konfliktpotenzial von Trennungseltern?

Es äußert sich darin, dass der jeweilige Elternteil sich in der Verantwortung sieht, sein Kind seinen Wertemaßstäben gemäß groß wachsen zu sehen und diese Wertvorstellungen mit denen des getrennten Partners in vielen Teilen gleich geschaltet haben möchte. Im Leben des Kindes sind dies Themen wie Hygiene, Ernährung, Medienverhalten, Gesundheit, Bildung, die elterlichen Regeln im häuslichen Umfeld sowie der zwischenmenschliche Umgang mit dem Kind.

Bei existenziellen Themen wie beispielsweise die Gesundheit des Kindes oder die Schule sind die Eltern gefragt, sich den Standpunkt und die Sorge des anderen anzuhören, um Entscheidungen zu treffen. Diese Entscheidungen sind nicht zwingend einheitlich zu treffen, sie sollten im Sinne des Kindes argumentiert und verhandelt werden und zum Ergebnis haben, dass das Kind nicht unter die Mühlen der Auseinandersetzung gerät. Bei lang anhaltender und großer Uneinigkeit und dem Beharren auf dem eigenen Standpunkt bietet sich eine Mediation an beziehungsweise eine Erziehungsberatung.

Vereinbaren Sie gerne einen Termin mit mir, wenn Sie das Gefühl haben, an einem toten Punkt angelangt zu sein oder aber präventiv anstrengende Auseinandersetzungen vermeiden möchten.

Müssen getrennte Eltern sich gegenseitig auf Linie bringen?

Nein, nur wenn sie dies ausdrücklich so wollen und vereinbart haben.

Wenn ein Kind in zwei verschiedenen Elternhäusern aufwächst, lernt es, dass es dort unterschiedliche Regeln und Umgangsformen gibt. Welche Aufgaben und Benimmregeln es bei Mama hat und welche bei Papa wichtig sind, erschließt sich dem Kind im Alltag. Auch, dass von ihm einige Dinge im mütterlichen Umfeld gefordert werden, die beim Vater gar nicht vorkommen – und umgekehrt – gehört zum ganz normalen Aufwachsen des Kindes. Die Unterschiede können sehr gering sein, es können aber auch große Abweichungen im Erziehungsstil und beim Wertekanon auftauchen, die zwischen den Eltern zu Reibereien und emotional anstrengenden Streitgesprächen führen.

Sich einmischen in die Erziehung des anderen: was bedeutet das?

In der Regel mischen sich Eltern in die Erziehung des anderen Elternteils ein, wenn sie in Sorge um ihr Kind sind.

Hinzu kommen Aspekte wie fehlendes Vertrauen in die elterliche Kompetenz des anderen sowie Belastungen und Stress bei der eigenen Lebensführung. Die elterliche Überforderung führt häufig dazu, dass man vom anderen verlangt, dass er seinen Verantwortungsbereich vergrößert beziehungsweise seine Prioritäten den eigenen angleicht. Dahinter verbirgt sich der Wunsch, die Verantwortung gleichberechtigt zu teilen und sich nicht mit den Aufgaben allein gelassen zu fühlen.

Folgende Gedanken oder Vorwürfe kommen Ihnen vielleicht bekannt vor:

  • „Mein Kind ist krank – und der andere kümmert sich einfach nicht genug.“
  • „Mein Kind hat Probleme in der Schule – das müssen wir ernst nehmen!“
  • „Mein Kind benimmt sich schlecht bei mir zuhause – es lernt bei dem anderen zu wenig gute Umgangsformen.“
  • „Mein Kind kommt schmutzig und ungeduscht zu mir – wird da drüben kein Wert auf Hygiene gelegt?“
  • „Ich habe einen stressigen Alltag – mein Kind muss auch funktionieren und nicht nur seinen Spaß bedient sehen!“
  • „Immer bin ich die Böse – aber es ist doch wichtig, dass man mit dem Kind seine Pflichten vermittelt!“

Solche Aussagen werden vom anderen Elternteil als Angriff oder Einmischen in den Erziehungsalltag aufgefasst. Ganz natürliche Reaktionen darauf sind spontane Abwehr und der Wunsch, der andere möge sich mit der Kritik und Besserwisserei zurückhalten. Genauso häufig passiert es, dass Vorwürfe Gegenvorwürfe auslösen.

Tatsächlich sollten sich die Eltern, die ihren Umgang gleichberechtigt umzusetzen wünschen, darüber im Klaren sein, dass sie als Mütter und Väter keinen Anspruch auf eine gleich geschaltete Erziehung des Kindes haben. Dies mag z. B. auch ein Trennungsgrund gewesen sein beziehungsweise war ein Aspekt der Trennung. Egal, ob es sich nach der Trennung um ein Wechselmodell (hälftiges Umgangsrecht) oder ein Besuchsmodell handelt.

Wie wichtig sind die Wertvorstellungen eines Elternteils?

Sie sind von großer Bedeutung.

Jeder Mensch hat eine Prägung und Sozialisation durchlaufen, die als erstes durch die Herkunftsfamilie und später durch Schule oder andere wichtige Stationen ausgebildet worden sind. Je nachdem, welche der Werte ein Mensch für sein Leben übernommen hat und sie vertritt, legt er entsprechendes Gewicht bei der Erziehung des eigenen Kindes eben auf diese Werte. Das ist gut und richtig so. Ohne Überzeugungen, Gewohnheiten und Rituale wäre kein Elternteil in der Lage, seinem Kind die nötige Orientierung zu geben. Dass wir unseren Nachwuchs häufig ähnlich erziehen, wie wir es selbst als Kinder erfahren haben, mag dem einen sehr Recht sein und dem anderen unangenehm, aber immer reagieren wir sowohl ganz automatisch als auch gleichzeitig bewusst auf unsere Kinder. Das bedeutet, dass wir unsere Erziehungsabsichten mit unseren Wertvorstellungen verbinden. Wir korrigieren uns dort, wo wir unsere Schwächen erkennen und fühlen uns gut, wo wir unsere Stärken und leichten Momente im Umgang mit unserem Kind erleben.

Beide Elternteile haben jeweils ein Recht darauf, ihre Werte dem Kind zu vermitteln. Kein Wert ist darum wichtiger oder unwichtiger.

Was passiert, wenn der andere Elternteil Wert auf völlig unterschiedliche Dinge legt?

Ersteinmal: gar nichts. Es ist so lange kein Problem, so lange die Eltern in der Lage sind, ihre Unterschiede nicht zu problematisieren.

Denn unterschiedliche Stile und Werte kommen einem Kind zugute und schaden ihm nicht etwa. Diese Unterschiede sind außerordentlich wichtig, damit ein Kind erfasst, dass es auf der Welt voneinander abweichende Vorstellungen und Menschen gibt, um sich aus dieser Vielfalt eigene Werte zu erschließen und sie im Laufe seines Lebens für sich zu integrieren. Wenn ein Kind das Gefühl bekommt, dass es selbst über richtig und falsch entscheiden darf, wird es sich später weniger durch Grenzübertritte oder Anfeindungen an seiner Person verunsichern lassen.

Der Schaden passiert erst dann, wenn die Eltern das Kind in einen Loyalitätskonflikt bringen, wenn sie etwa danach streben, Mama oder Papa stark in Frage zu stellen und es das Kind entweder deutlich wissen oder subtil spüren lassen. Beides gereicht dem Kind zum Nachteil.

Dass die Kinder als Mittel zum Zweck eingesetzt werden, ist dabei die Gefahr. Denn Eltern, die gerne aus dem anderen einen Sündenbock machen wollen, verunsichern ihr Kind und zweifeln die mütterliche oder väterliche Identität beim Kind an.

Unkooperative Kinder?

Tatsächlich erreichen Eltern, die sich gegenseitig von der Richtigkeit ihrer Erziehungsmethoden überzeugen wollen, dass sie ein Kind haben, das sich in ihrem elterlichen Umfeld nicht genug anpassen möchte, das sich widersetzt oder die Ansprüche, die man als Elternteil an es stellt, in Frage stellt. Denn es lernt, dass die Aussagen, die der andere über seine Mutter oder seinen Vater macht, ein Angriff auf seine Integrität bedeuten. Das Kind fühlt sich berechtigterweise im Mittelpunkt dieser Angriffe und macht das einzig richtige: Es weist die Eltern durch sein Verhalten darauf hin, dass etwas nicht stimmt.

Damit dienen die Kinder als regulierende Kraft, die eine positive Unterstützung vonseiten der Eltern erfahren sollte. Es fällt Eltern nicht unbedingt ein, zu ihrem Kind zu sagen: „Wie interessant, dass du nie dein Zimmer aufräumen willst“, aber ein Dauerbrenner in den Erziehungsmethoden kann ein Anlass zu sein, zu hinterfragen warum das Kind meint, etwas nicht tun zu müssen. Die Lösung muss aber immer im eigenen häuslichen Umfeld gesucht und nicht vom anderen Elternteil in Form eines „das musst du anders machen, damit ich es hier leichter habe“ verlangt werden.

In der Regel möchten Kinder kooperativ sein und tun sehr viel – manchmal unangemessen viel – dafür, dass die Eltern es gern haben und ihm wohlgesonnen sind. In den wichtigen Fällen, in denen ein Kind nicht kooperativ ist sondern z. B. mit Wut, Widerstand oder Resignation reagiert, sollten getrennte Eltern sehr genau aufpassen, wo es tatsächlich die unterschiedlichen Anforderungen der Eltern sind, die den Widerstand ausmachen oder ob es eigene elterliche Defizite sind, bei denen man sich ohnmächtig fühlt. In der Regel gilt nämlich Zweiteres.

Offene oder subtile Einflussnahme der Eltern

Weil Mutter und Vater nicht mehr im gemeinsamen Haushalt leben, ist es für ein Kind nicht zu verstehen, warum ein Elternteil oder alle beide sein unerwünschtes Verhalten dem jeweils anderen Erwachsenen zuschreiben. Das Kind lebt die Beziehung nach den Rahmenbedingungen des jeweiligen Elternhauses – also immer dort, wo es sich gerade aufhält.

Es kommt vor, dass Sätze dem Kind gegenüber fallen wie: „Ist schon klar, dass du das bei Papa nicht zu tun brauchst, aber hier läuft das nicht so lasch, wir üben jetzt Mathe!“ Damit wird dem Kind signalisiert, dass der andere etwas falsch macht. Das Kind fühlt sich aber dennoch dafür verantwortlich und stellt sich in den Mittelpunkt dieser Aussage . Das Kind hört: Ich bin mit deinem Verhalten nicht einverstanden, du bist nicht richtig.

Ganz anders hört sich der Satz an: „Ich kann verstehen, dass du das bei Papa nicht zu tun brauchst. Papa hat andere Sachen, die ihm wichtig sind und das ist auch gut so. Ich finde Lernen sehr wichtig. Was können wir machen, damit das Üben für die Schule uns beiden Spaß macht. Hast du eine Idee? Ansonsten hab ich einen Vorschlag. …“

„Bei Papa ist es schöner!“

Kinder antworten gerne mal mit Sätzen wie: „bei Mama muss ich mir nicht so oft die Hände waschen“. Das macht solche Eltern ärgerlich, die sich durch eine derartige Aussage provoziert fühlen und ihrem Kind nicht in Ruhe erklären können, dass es total in Ordnung ist, wenn Mama es so macht wie sie es für richtig hält. Dass bei Papa andere Regeln gelten und diese mit Mama absolut nichts zu tun haben.

Eltern lieben ihre Kinder und wollen gleichzeitig von ihnen geliebt werden. Die Konkurrenz zwischen getrennten Eltern äußert sich zum Beispiel darin, dass es innerliche Genugtuung verschafft sobald das Kind etwas lobt, was bei einem selbst schöner ist als beim anderen Elternteil. Doch passiert es auch, dass man großen Ärger darüber empfindet, wenn man nicht das gelobte sondern das kritisierte Elternteil ist. Die Vermutung, dass Kinder die Eltern gegeneinander ausspielen, trifft nur dann zu, wenn die Kinder alt genug sind, dieses Spiel von ihren Eltern genügend gelernt zu haben und es als strategisches Mittel einsetzen.

Wenn Eltern Konkurrenten sind

Man sollte sich als Elternteil genau prüfen, ob man das eigene Kind nicht instrumentalisiert. Die Gefühle, die Lob und Kritik vonseiten des Kindes auslösen, sind ein guter Hinweis darauf, dass Konkurrenzdenken vorhanden sein kann. Es versetzt der Mutter einen Stich, wenn sie hört, dass sie „immer so ernst“ sei und es „bei Papa lustiger“ wäre. Es freut eine Mutter, wenn ihr Kind sagt, dass bei ihr nicht immer Punkt acht das Licht aus geht und dass es ihm besser gefällt als bei Papa, wo es keine Ausnahmen beim ins Bett gehen gibt. Diese Unterschiede nicht als schlecht oder besorgniserregend zu betrachten, sondern als hilfreich, kann entlastend sein. Denn sie sind bloß Ausdruck von Persönlichkeit und Charakter eines Menschen, den jeder für sich als einzigartig und wertvoll bestätigt sehen möchte.

Dass Kinder vergleichende Aussagen machen, kann bereits ein Indiz dafür sein, dass Konkurrenz im Spiel ist. Es kann aber auch schlicht dafür stehen, dass sie nur ausdrücken, was ihre Realität ist. Kinder beobachten aber immer sehr genau, wie man als Eltern auf ihre Aussagen reagiert, um eine Orientierung für sich zu erhalten.

Diese Einsicht, dass jeder Mensch unterschiedliche Dinge wichtig findet – wie etwa Ehrlichkeit, Sauberkeit, Pünktlichkeit, Hilfsbereitschaft, Offenheit, Verlässlichkeit und so weiter – hilft Trennungskindern dabei, ihre Eltern und gleichzeitig sich selbst akzeptieren zu können: mit all ihren sehr individuellen Fähigkeiten, Stärken und Schwachstellen.

Szenarien & Übungen

Um langfristig eine gute Kommunikationsbasis zum anderen Elternteil zu erreichen und das eigene Kind wohlbehalten und  selbstsicher  aufwachsen zu sehen, können Sie folgende Selbstüberprüfung und Kommunikation mit dem anderen Elternteil üben:


1. Der andere Elternteil macht Ihnen gerade Vorwürfe.

Trotz Ihres Ärgers haben Sie die Möglichkeit, z. B. zu fragen:

Was konkret möchtest du, dass ich für unser Kind tue?

Gibt es dazu eine klare Antwort, so können Sie sich entscheiden, ob Sie tätig werden wollen oder dafür keinen Anlass sehen. Folgt darauf keine eindeutige Antwort oder noch mehr Vorwürfe, stellen Sie noch einmal die Frage nach dem Sinn des Anliegens.

Vermitteln Sie dem anderen Elternteil Ihre Sicht ohne seine eigene in Frage zu stellen oder sie zu kritisieren. Jedes Elternteil ist zuweilen unsicher oder hat Kummer zu einem bestimmten für ihn sensiblen Thema. Indem Sie die Sorge des anderen ernst nehmen und sie nicht marginalisieren oder bagatellisieren, zeigen Sie ihm den nötigen Respekt, den Sie sich für sich ebenfalls wünschen.


2. Ihre Werte geraten unter starken Beschuss. Sie fühlen sich ungerechtfertigt kritisiert und in ihrer Elternrolle herabgesetzt. Der andere geht soweit, sie zu beschimpfen und Sie für die negative Entwicklung des Kindes verantwortlich zu machen.

Machen Sie sich klar, dass der andere von großen Ängsten oder Belastungen getrieben sein könnte.

Weisen Sie Beschuldigungen in ruhiger Art zurück.

Machen Sie Ihren Standpunkt deutlich ohne sich zu rechtfertigen.

Sagen Sie dem anderen, dass Sie finden, dass er einen eigenen Umgang mit seiner Einschätzung dem Kind gegenüber finden muss.

Geben Sie ihm Ihre Einschätzung zu der Entwicklung Ihres Kindes, die weder beschönigt noch schwarz malt.

Soweit Sie eine bestimmte Sorge teilen und lediglich die Art des Umgangs es ist, die Sie davon abhält, dies zuzugeben, konzentrieren Sie sich auf die Sache, nicht auf die Methode des anderen Elternteils. Bestätigen Sie, dass es Ihnen mit der Sorge ähnlich geht und dass Sie für sich selbst entweder eine eigene Lösung entdeckt haben oder sich hierin beraten lassen (wollen). Seien Sie ehrlich, wenn Sie noch keinen Lösungsansatz gefunden haben und sagen Sie, dass Sie darüber nachdenken und es den anderen wissen lassen werden.


3. Der andere Elternteil erscheint Ihnen nachlässig oder zu sorglos

Welche Aspekte sind es, die Sie herausfordern? Was konkret steht hinter dem Vorwurf der Sorglosigkeit, die Sie beim anderen erkennen?

Stellen Sie sich umgekehrt vor, der andere bezeichnet Sie als nachlässig und zu desinteressiert bei einer Sache, die Ihnen tatsächlich nicht so viele Gedanken Wert zu sein scheint. Was empfinden Sie dabei? Fühlen Sie sich schuldig oder ertappt?

Sind dies Werte, die Sie eigentlich eher als unwichtig einstufen?

Wenn ja, dann sollten Sie dies dem kritisierenden Elternteil gegenüber transparent machen.

Lassen Sie mögliche Schuldgefühle außen vor, denn die bringen Sie nicht weiter. Sie sind als Mensch so wie Sie sind und nicht so, wie Sie eigentlich sein sollten. Um das Schuldgefühl ganz los zu werden, verschwenden Sie möglicherweise wertvolle Energie darauf, den anderen von Ihrer Schuldlosigkeit überzeugen zu wollen. Zielführend kann ein Schuldgefühl dann sein, wenn es lösungsorientiertes Denken auslöst. Sie sagen Sie sich etwa: Es ist was dran an dem, was der andere bei mir kritisiert. Seien Sie sich dann nicht zu schade, eine schmerzhafte Kritik anzunehmen und dem anderen mitzuteilen, was sie in Zukunft anders machen werden.

Soweit Sie einen Perspektivenwechsel schaffen, erreichen Sie zweierlei:

  1. Sie haben mehr Verständnis für die Handlungen oder Unterlassungen des anderen Elternteils.
  2. Sie haben im anderen Elternteil mehr Unterstützung als Sie glaubten.

Erstens verübeln Sie dem anderen Elternteil seine Sorglosigkeit nicht mehr so sehr (Sie haben erkannt, dass Sie selbst einige Themen bei der Erziehung Ihres Kindes haben, auf die Sie wenig Energie und Gedanken verschwenden).

Zweitens erkennen Sie in der Sorglosigkeit des anderen eine Form der Unterstützung: Das Vertrauen, dass der andere Elternteil in das gemeinsame Kind setzt, macht häufig einen Teil seiner Sorglosigkeit aus. Der andere Elternteil entlastet gleichzeitig ein schwieriges Thema, das bei Ihnen zuhause und im Umgang mit dem Kind zu Kopfzerbrechen und anstrengenden Auseinandersetzungen führt. Hätte dasselbe Thema hätte dort eine ähnliche Brisanz, würde es Ihrem Kind möglicherweise mehr schaden als nützen, wenn es keine dauerhafte Entlastung erfährt. Damit schaffen die Eltern eine Balance, die durch die Verschiedenartigkeit der Prioritäten für einen Ausgleich sorgt, der nötig ist.

Trennungseltern vergessen häufig, dass auch in bestehenden Familien die Standpunkte von Mutter und Vater voneinander abweichen und es stets auch eine ausgleichende Funktion beider Elternteile gibt die von dem anderen entweder bewusst oder unbewusst erwartet und gesteuert werden.

Kontraproduktiv ist in jedem Fall, wenn die Eltern ein Problem ihres Kindes beide zu stark fokussieren und vergessen, das Kind zu ermutigen und seine Ressourcen nicht erkennen. In den meisten Fällen hat nämlich nicht das Kind „ein Problem“ oder funktioniert nicht richtig, sondern die Eltern verfügen über zu wenig positive Strategien und Lösungen.


4. Der andere kommt erst im letzten Moment mit einer Bitte/Änderung in der Planung. Sie haben das Gefühl, wegen ihm alles über den Haufen werfen zu müssen und Ihren Terminkalender nach dem anderen richten zu müssen.

Fallen Sie nicht gleich über den anderen her. Überlegen Sie in Ruhe, ob sie der Bitte Folge leisten oder sie ablehnen wollen.

Die Gründe, warum jemand einen gefassten Plan umwirft, haben meistens nichts mit Ihnen zu tun. Denken Sie daran, dass Sie es vielleicht beim nächsten Mal sind, der eine Terminänderung wünscht oder Betreuung benötigt.

Vermeiden Sie bei Ihrer Kommunikation Wertungen wie „das hätte dir auch mal früher einfallen können“ oder „was glaubst du eigentlich, was ich bin, dein Notdienst?“. Sehr wohl können Sie mitteilen, dass Ihnen die Änderung Unannehmlichkeiten bereitet, viel Aufwand benötigt und Sie deshalb finden, dass Sie beim anderen etwas Gut haben.

Nehmen Sie sich notfalls ein oder zwei Tage Zeit, um über eine Bitte oder Forderung des anderen nachzudenken.

Fragen Sie sich dabei: Ginge es mir mit einem Zugeständnis gut?  Oder kommt ein Kompromiss deshalb nicht in Frage, weil mir zu viele eigene Nachteile entstünden?

Gehen Sie auf keinen Fall einen Kompromiss ein, wenn dies Sie hinterher dazu animiert, dem anderen vorzuwerfen, dass er Sie dauernd zu Zugeständnissen drängen würde.

Dies waren nur einige Übungen und Beispiele. Sollten Sie konkrete Fragen haben oder Anregungen wünschen, nehmen Sie gerne den Kontakt zu mir auf.


Vertrauen Sie Ihrem Kind!

Noch viel wichtiger als ein angemessenes Maß an Vertrauen in den anderen Elternteil ist das Vertrauen zum eigenen Kind. Sie als Eltern können davon ausgehen, dass Ihr Kind seine Sache gut macht, besonders dann, wenn Sie ihm dauerhaft die nötige Ermutigung geben. Ein Kind fühlt sich nicht im Stich gelassen, wenn Sie ihm die oben beschriebenen Unterschiede verdeutlichen und sich selbst damit gut fühlen, dass der andere nun mal bestimmte Dinge gut, besser oder einfach anders macht als Sie selbst.

Dort, wo Sie ihrer eigenen Überzeugung nach einen verdammt guten Job machen, wird auch Ihr Kind von ihrer Überzeugung getragen. Ob Ihr Kind Ihre Vorstellungen von einem guten Zusammenleben oder Ihre Regeln als wertvoll anerkennt, merken Sie als Erstes. Schauen Sie öfter mal danach, ob Sie den anderen für ihre eigenen Schwierigkeiten im Umgang mit dem Kind verantwortlich machen und nur sich selbst für die Erfolge Ihres Kindes. Sie werden sofort merken, wo Sie sich fair oder unfair verhalten oder eine schwierige Grundhaltung dem anderen gegenüber einnehmen.

Kinder sind eigene Wesen. Sie sind nicht allein Produkte unserer Erziehung. Sie sollen alle Chancen haben, ihre Identität herauszubilden und im Leben einen festen Stand bekommen. Dies soll nach Möglichkeit durch Kooperation und nicht durch Konkurrenz oder Kampf wahr werden. Als elterliches Vorbild tragen Sie zur Fairness und Bereitschaft zur Mitarbeit bei.

Alle Eltern haben das Recht und die Pflicht, die alltäglichen Dinge im Leben ihres Kindes so zu regeln, wie sie es für angemessen und richtig halten.

Ein perfektes Familienleben gibt es nicht, auch keine perfekten Erziehungsmethoden oder gar, dass das Kind, nachdem man sich geeinigt hat, sämtliche Regeln befolgen wird. Rechnen Sie damit, dass Sie als Eltern auch bei Ihren künftigen Aufgaben ein Stück weit mit Frustration oder Misserfolg leben müssen.

Ich wünsche Ihnen alles Gute beim Erziehen & viel Freude und liebevolle Augenblicke in Ihrem Leben als Eltern.

 

 

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